Mittwoch, 15. Januar 2025

Foto: Jochen Quast
Gerhard Henschel liest aus „Frauenroman“
Mitte der neunziger Jahre: Der Schriftsteller Martin Schlosser wohnt im schönen Göttingen und kann nicht klagen. Er ist ausgesprochen erfolgreich – beruflich wie privat. Die Frauen sind gut zu ihm, die Arbeit geht ihm leicht von der Hand. Lesereisen führen ihn quer durch die Bundesrepublik, aber auch nach Zürich, Wien und New York, wo er sein blaues Wunder erlebt. Wäre da nicht dieses Thema, das die Nation in Atem hält: Die Rechtschreibreform. Sternhagelvoll müssen die Kultusminister doch gewesen sein, die diesen Blödsinn verbrochen haben. Eifrig kämpft er gegen die Reformisten an und durchlebt eine turbulente Zeit als Junggeselle, bis er beschließt nach Hamburg zu ziehen und dort die Mutter seiner Kinder zu finden.
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Donnerstag, 13. Februar 2025

Foto: Privat
Axel Kahrs liest aus „Klopstock? – Natürlich!“
Friedrich Gottlieb Klopstock, einst Deutschlands berühmtester Dichter, steht heute verloren im Schatten Goethes. Axel Kahrs, Literaturkenner aus Lüchow, stellt nun anhand seines neuen Buches das wechselvolle Leben dieses vergessenen Dichtergenies und einige seiner Lieder vor. Dabei ergeben sich unerwartete und aufschlussreiche Verbindungen zu den Schriftstellern unserer Zeit, der müde Klassiker wird wieder jung und aktuell!
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Mittwoch, 19. März 2025

Foto: Urban Zintel
Ruth-Maria Thomas liest aus „Die schönste Version“
„Unser Herbst war bis in den November hinein ein Jahrhundertsommer“: Jella liebt Yannick, sehr. Yannick liebt Jella, auch sehr. Sie erkennen einander. Sie machen es anders. Sie machen es richtig. Bis es kippt. Jetzt liegt Jella in ihrem alten Kinderzimmer „mit pochendem Hals und einem entrückten Gefühl“, fragt sich, wie es so weit kommen konnte, schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Lipgloss und Lidschatten. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf diesen Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen. Die Autorin schreibt über das Frauwerden, Frausein, über Körper, Begierden und tiefe Abgründe.
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Donnerstag, 10. April 2025

Foto: Stefanie Kulisch
Nora Schramm liest aus „Hohle Räume“
Als Helene ihre Eltern kurz vor Weihnachten besucht, wirken die Räume des vertrauten Hauses seltsam hohl, als ließen sie sich trotz aller Bemühungen nicht mit Leben füllen. Der Anlass für ihren Besuch ist die Scheidung der Eltern. Irritiert beobachtet die Tochter jede ihrer Regungen, seziert sie voller Sprachwitz und zerlegt sie in ihre Einzelteile, die sich zu einem Familienbild bürgerlicher Prägung zusammensetzen. Humorvoll und in starken Bildern erzählt Hohle Räume von der Familie nicht mehr als einem Ort psychologischer Abgründe, sondern als kleinstmöglicher sozialer Einheit, in der die Aufstiegsgeschichte der Babyboomer genauso zu erkennen ist wie der Klassenumstieg ihrer Kinder – und wo Sofas, Töpfe und Fensterläden nicht bloß Alltagsgegenstände sind, sondern subtil über Werte, Überzeugungen und Sicherheiten Auskunft geben.
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Dienstag, 26. August 2025

Foto: Asja Caspari
Tilmann Lahme liest aus „Thomas Mann. Ein Leben“
Thomas Mann ist der literarische Magier des zwanzigsten Jahrhunderts: Nobelpreisträger und gefeiertes Genie und zugleich so unglücklich, wie man nur sein kann. Er liebt und darf nicht lieben, die Vorstellungen seiner Zeit stehen ihm im Weg. Was für ein Antrieb zu großer Literatur – und was für ein leidvolles Leben. Seit seinem frühen Welterfolg mit den Buddenbrooks und zwei Jahrzehnte später mit dem Zauberberg öffnen sich ihm alle Türen, bis hin zu der im Weißen Haus. Keine deutsche Stimme kämpft so hörbar gegen Hitler wie seine, kein anderer häuft Ehrungen auf sich wie er. Seine Frau Katia und seine sechs Kinder umringen ihn dabei wie eine Festung. Doch der Abgrund ist immer nur einen Schritt entfernt. Eigentlich war nicht zu vermuten, dass noch wirklich Neues über Thomas Mann zu berichten wäre, doch die Arbeit Tilmann Lahmes, die auf die unterdrückte Homosexualität des Schriftstellers fokussiert ist und damit auch auf die Sublimierung dieser für ihn verbotenen Neigung, zeigt völlig neue Perspektiven seines Werkes auf. Die Mann-Forschung hatte dieses Thema bisher zwar nicht verschwiegen, doch waren die früheren Tagebücher in dieser Hinsicht zensiert, und auch später wurde das etwas unangenehme Thema „eingehegt“. Welches Gewicht dieser innere Kampf des Nobelpreisträgers auf seine Literatur hatte, wird erstmals in dieser Klarheit und Durchdringung herausgearbeitet – und damit auch hingewiesen auf das Gewicht der frühen Freundschaft mit dem ebenfalls homosexuellen Otto Grautoff, die sonst üblicherweise nur nebenbei behandelt wurde. Dieses Buch ist eine ideale und sehr beachtenswerte Lektüre, die noch über Generationen hinweg gelesen werden wird, befindet die FAZ.Foto: Gunter Glücklich
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen

Foto: Hans Lepel
Mittwoch, 24. September 2025
Steffen Kopetzky liest aus „Atom“
London zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Simon Batley, der 1927 mit einem Auslandsstipendium bei Albert Einstein in Berlin Physik studiert, übernimmt bei einer legendären geheimdienstlichen Operation des britischen Geheimdienstes den Hauptpart, naiv und undercover. Eigentlich wollte damit nie wieder etwas zu tun haben, doch der Krieg ändert alles. Agent Batley stößt auf die Spur einer neuen Waffe der Deutschen, von nie gekannter Zerstörungskraft. Bald darauf reist er ins Dritte Reich, er will den geheimnisvollen Hans Kammler aufspüren: Der Planer von Mittelbau-Dora ist Herr über das deutsche Geheimwaffenprogramm und einer der mächtigsten Nazis. Während Batley versucht, vor den Sowjets und den USA an das deutsche Uran zu kommen, folgt er auch einer persönlichen Mission: Er will seine große Liebe Hedi wiederfinden und endlich begreifen, was damals in Berlin geschah. Der Roman geht um das internationale Interesse an deutscher Raketentechnik, interessant ist auch, dass der Fokus auf dem SS-Mann Hans Kammler liegt, der in den letzten Jahren die NS-Waffenproduktion unter Tage anleitete. Er befehligte ab August 1944 auch den Einsatz sämtlicher V2-Raketen gegen Ziele in Westeuropa und Großbritannien, er verfügte über das Wissen, hinter dem die Siegermächte nach der deutschen Niederlage her waren. Ebenso wichtig war er für die Nazigrößen, die sich nach der absehbaren Niederlage auf das „Leben danach“ vorbereiteten. So gelangt Simon Batley auf Kammlers Spuren in den letzten Kriegsmonaten 1945 über Göttingen, das sogenannte „Mittelwerk“ bei Nordhausen in Thüringen und das bayerische Oberammergau bis nach Pilsen und Prag, wo Kopetzky seinen Roman mit einem großen Knall enden lässt.
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Donnerstag, 23. Oktober 2025

Foto: Zürner
Ursula Krechel liest aus „Sehr geehrte Frau Ministerin“
Mit seiner Mutter sprechen zu müssen, ist für den Sohn von Eva Patarak ein Staatsverbrechen. Für Eva hingegen ist es ein Verbrechen, dass ihr Sohn und sie offenbar ausspioniert werden. Welches Ziel verfolgt die Lateinlehrerin Silke Aschauer mit ihrer Observation? Will sie etwa einen Roman über sie schreiben? Bieten die grausamen Familienverhältnisse der Antike, die sie für den Unterricht aufbereitet, nicht ausreichend Stoff für Faszination? Fest steht nur: Silke hält längst nicht alle Fäden in der Hand, denn ihr eigener Körper hat einen blutigen Aufstand gegen sie angezettelt, der sie in die Rolle der Patientin zwingt. In ihrer Ohnmacht wenden sich beide Frauen an die Justizministerin – ohne zu ahnen, in welche Gefahr sie die Staatsvertreterin damit bringen. Die preisgekrönte Autorin Ursula Krechel erzählt in ihrem radikal gegenwärtigen Roman über die abgründigen Beziehungen zwischen Söhnen und ihren Müttern, von symbiotischer Mutterschaft, von existenziell gefährdeten Frauen und von politischer Gewalt: Sie hat mit diesem stilistisch herausragenden und vielschichtigen Buch eine Kulturgeschichte aller Frauen geschrieben Es ist die Geschichte ihres Widerstands gegen die Gewalt, die ihnen physisch und psychisch zugemutet wird. Der Roman erzählt, wie die Frauen mit ihren geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen umgehen und sich gegen tradierte Ungerechtigkeiten wehren. Er zeigt, wie schnell die Zivilisation in Barbarei umschlagen kann, vor allem dann, wenn die Rechtsstaatlichkeit bedroht ist. „Ein kluges Buch“, meint die FAZ, „das in seiner filigranen Konstruktion so manchen autofiktionalen Roman alt aussehen lässt.“
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen
Mittwoch, 19. November 2025

Anna-Katharina Hahn liest aus „Der Chor“
Angesichts unserer Gegenwart, in der nichts mehr sicher scheint, schildert Anna Katharina Hahn einen Stuttgarter Chor als Spiegel einer ganzen Stadtgesellschaft. Einfühlsam und unerbittlich porträtiert sie in ihrem neuen Roman Frauen aus drei Generationen – in ihren Stärken und Schwächen, ihren Gefühlen, ihrer Sensibilität und ihrer Gnadenlosigkeit. Schon vor den Lockdowns war die Probe ihres Frauenchors für Alice, Marie und ihre ältere Freundin Lena der Höhepunkt der Woche. Nachdem sie viel zu lange nur hinter Masken oder gar nicht zusammen singen konnten, erkennen sie deutlich, was sie entbehrt haben. Ihre Freundschaften haben die Pandemie überlebt, allerdings auch ihre Probleme miteinander. Alice, der beruflich fast alles gelingt, leidet darunter, dass Marie nicht mehr mit ihr spricht, während Lena, eine pensionierte Lektorin, sich über das Altern keine Illusionen macht. Ein offenes Geheimnis ist die Abneigung der meisten Sängerinnen gegen Cora, die in prekären Verhältnissen lebt und den Chor zur Jobsuche nutzt. Als Sophie, eine vereinsamte Studentin, bei den Proben auftaucht, beginnt ein emotionaler Aufruhr. Besonders für Alice: Plötzlich entdeckt sie Gefühle, die sie selbst überraschen. Die Sängerinnen bilden einen Querschnitt der Gesellschaft mit ihren Empfindungen zwischen Sehnsüchten, psychischen Erkrankungen und ehebrechenden Männern. Die Autorin hatte schon lange bevor Corona ausbrach die Idee, einen Roman über einen Frauenchor zu schreiben. Dann aber haben sich die Auswirkungen der Pandemie in das Buch eingeschlichen, erzählt sie, sie gehören zur jüngsten Vergangenheit aller Figuren, ebenso wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der Klimawandel und der pessimistische, sehr deutsche Blick auf die Zukunft – dunkle Unterströmungen, die nicht lautstark thematisiert werden, aber immer leise vor sich hin brodeln.
Veranstaltungsort: Neues Schauspielhaus, Uelzen