Wein-Geister-Lesung 2016

Programm des ersten Halbjahres

Mittwoch, 20. Januar 2016, 19.30 Uhr

Otto-Jägersberg

Otto Jägersberg. Foto: Margrit Müller

Wein-Geister-Lesung mit Otto Jägersberg im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Otto Jägersberg, in Hiltrup bei Münster (das muss erwähnt werden, weil diese Prägung vor allem für sein erstes Buch signifikant ist) geboren, arbeitete als Buchhändler, Antiquar und Drucker in Berlin, Zürich und Stierstadt. Mit seinem Debütroman Weihrauch und Pumpernickel, der 1964 erschien und von der literarischen Welt hoch gelobt wurde, war Otto Jägersberg der erste neuentdeckte deutsche Autor im noch jungen Diogenes Verlag. Seither ist er freier Autor und Filmemacher. Bei der Lesung in Uelzen wird er aus verschiedenen seiner Werke lesen, vor allem aber aus dem erst kürzlich erschienenen Gedichtband Keine zehn Pferde (Zwischen Kneipe und Lotterbett/ zerren sie an dir herum/ die zehn Pferde des Sprichworts/ aber du weichst nicht.). In Jägersbergs Gedichten findet bitteres Weh über ein verschwundenes Fahrrad ebenso Platz wie das Lob der Stampfkartoffeln, die Einsicht, dass Fußball hilft, ebenso wie die Warnung davor, was passiert, wenn man die falschen Frauen küsst. Ein poetischer Kosmos voller Konkretheit, Wehmut und Witz: „Jägersberg ist imstande zu beweisen, dass selbst die Lyrik, die subtilste und feinnervigste der drei klassischen Gattungen, eine Angelegenheit für die Lachmuskeln und das Zwerchfell sein kann.“ (Stuttgarter Zeitung)

Diesen äußerst humorvoll-hintergründigen Start ins neue literarische Wein-Geister-Jahr sollte man auf keinen Fall verpassen.

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Allgemeine Zeitung vom 16.1.2016

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Uelzener Anzeiger vom 13.01.2016

 

 

 

 


Mittwoch, 24. Februar 2016, 19.30 Uhr

Gerhard Henschel. Foto: Hoffmann&Campe

Wein-Geister-Lesung mit Gerhard Henschel im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Gerhard Henschel lebt als freier Schriftsteller im Landkreis Uelzen. Sein Briefroman Die Liebenden begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser: Kindheitsroman, Jugendroman, Liebesroman, Abenteuerroman und Bildungsroman. Der nun bei Hoffmann und Campe erschienene Künstlerroman ist der sechste Teil seiner Chronik, die er entlang des Lebens von Martin Schlosser erzählt: Mitte der achtziger Jahre hat der Germanistikstudent Martin Schlosser noch keinen fest umrissenen Lebensplan. Wenn er nicht gerade über Tschernobyl, den Historikerstreit oder die Barschel-Affäre nachdenkt, nimmt er an spiritistischen Sitzungen teil und übt sich in der Kunst des Lebens. Weil seine neue Freundin Andrea in Aachen studiert, beschließt er, sein Studium von Berlin nach Köln zu verlegen. Er zieht in eine chaotische Wohngemeinschaft und wird von Andrea vor immer neue Herausforderungen gestellt: Sie bugsiert ihn in Bioenergetik-Seminare und Tatra-Kurse und zwingt ihn zu der Einsicht, dass er mit ihr keine konventionelle Zweierbeziehung führen kann. In den darauffolgenden Jahren reist er nach Madrid, Paris und Nartum, muss weitere Umzüge bewältigen und sorgt für Missstimmung im heimatlichen Meppen. Zwischen Brotjobs bei Tetra Pak, Uniroyal und Edeka und Philosophieren über Stubenfliegen, türkische Folklore und Monogamie wird ihm eines Tages schlagartig klar, was er will: Schriftsteller werden.

Gerhard Henschel wurde 2012 mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis ausgezeichnet und 2013 mit dem Nicolas-Born-Preis.

 


Freitag, 20. Mai (statt, 11. März 2016), 19.30 Uhr

Aus Krankheitsgründen muss die Lesung mit Gruntram Vesper vom 11.3. auf den 20.5.2016  verlegt werden. Bereits gekaufte Karten behalten ihre Gültigkeit.

Guntram Vesper. Foto: Volker Roland

Wein-Geister-Lesung mit Guntram Vesper in der Gertrudenkapelle

Wahrscheinlich ist Uelzen der erste Ort, an dem Guntram Vesper aus seinem am

März im Schöffling Verlag erscheinenden Buch Frohburg lesen wird, erst Ende März wird es auf der Buchmesse vorgestellt. Guntram Vesper, 1941 in der sächsischen Kleinstadt Frohburg geboren, kam 1957 über Berlin in die Bundesrepublik. 1967 las er auf der letzten großen Tagung der Gruppe 47. Vesper stand mit zahlreichen Autoren in Briefkontakt, u. a. Johannes Bobrowski, Peter Huchel und Peter Rühmdorf. Heute lebt Vesper als Schriftsteller in Göttingen, er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände, Erzählungen und Hörspiele.

Ohne Zweifel ist Frohburg das opus magnum von Guntram Vesper, zugleich für den Autor der Ausgangspunkt von allem: Der Ort seiner Geburt 1941, Jugend, Aufwachsen und Erwachen, der Ausgangspunkt der Flucht der Familie 1957, das umliegende Land die Folie der Geschichtsbetrachtung einer deutschen Epoche. Hier werden ein Land und eine Zeit gültig festgehalten, Kultur und Politik, Krieg und Nachkrieg, ein umfassendes, großartiges Portrait deutschen Lebens im zwanzigsten Jahrhundert; ein gewaltiges Prosawerk, das neben die großen Bücher von Peter Kurzeck, Walter Kempowski und Uwe Johnson zu stellen ist. Frohburg ist ein Füllhorn an Geschichten, zumeist aus eigenem Erleben grundiert, eine große autobiographische Erzählung, ein Welt-Buch im Überschaubaren, ein geschichts- und Geschichtenpanorama, wie wir schon lange keines hatten. Guntram Vesper ist ein bezwingender Autor, sein Froburg eine hinreißende Kette von Erzählungen, die den Leser überwältigen und nicht mehr loslassen.

„Irgendwo im Land gibt es den Ort, die Straße, das Haus, wir haben dort die Kindheit verbracht, wir kommen schwer davon los.“ (Guntram Vesper)


  Mittwoch, 27. April 2016, 19.30 Uhr

Tilmann Lahme. Foto: Gunter Glücklich

Wein-Geister-Lesung mit Tilmann Lahme im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Tilmann Lahme studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie, war Redakteur im Feuilleton der FAZ und lehrt heute Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Familie Mann und hat u. a. 2009 eine vielgerühmte Golo-Mann-Biographie veröffentlicht. Nun ist sein neuestes Buch Die Manns – Geschichte einer Familie bei S. Fischer erschienen.

Thomas und Katia Mann mit ihren sechs Kindern – acht Menschen, acht Blickwinkel. So wurde die Geschichte der wohl faszinierendsten deutschen Familie des 20. Jahrhunderts noch nicht erzählt. Und so konnte sie nicht erzählt werden, denn Tilmann Lahme hat für seine Familienbiographie unzählige neue Quellen auswerten können, die erstmals ein Gesamtbild der Familie ermöglichen: Zusammenhalt, Liebe, Toleranz und gleichzeitig Unverständnis, Kälte und Zerstörung. Diese Familie ist Teil der jüngeren deutschen Geschichte geworden, die Manns repräsentieren den Glanz und die Turbulenzen des 20. Jahrhunderts. Hier stehen strahlender Erfolg neben persönlichem Unglück, Arbeitsdisziplin neben dem wilden Leben, Partys und Drogen. Legenden und Deutungen und auch das politische Engagement gegen den Nationalsozialismus erscheinen in einem neuen Licht. Aus den verschiedenen Perspektiven entsteht ein vielschichtiges, lebendiges Bild einer Familie, in der sich auf einmalige Weise Literatur, Politik und Leben durchdringen.

Die „amazing family“: Ein Familie voller Künstler – auch in der Kunst, sich öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Sichtbar wird die Psychodynamik einer faszinierenden Familie, vereint im Kampf gegen Hitler. Der Preis, den die Manns hierfür zahlen müssen, ist hoch.

Programm des zweiten Halbjahres

Mittwoch, 07. September 2016, 19.30 Uhr

Winkler Katharina

© Stefan Klüter

Wein-Geister-Lesung mit Katharina Winkler im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Katharina Winkler liest aus ihrem Debütroman „Blauschmuck“ (Suhrkamp), der zur Gänze auf wahren Begebenheiten beruht und gleich auf der ORF-Bestenliste landete. In diesem faszinierenden, bei Suhrkamp erschienenen Buch werden die Abgründe von Abhängigkeit und brutaler Unterdrückung anschaulich gemacht, es erzählt vom Leben einer Frau, in dem Liebe und Gewalt nicht nur untrennbar, sonder nicht mehr zu unterscheiden sind. Der Titel des Buches wird folgendermaßen erklärt: „Der Blauschmuck trägt die Handschrift der Männer. Das Werkzeug, Holz oder Eisen, und die Anzahl der Schläge bestimmen den Blauton“.

Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei auf. Sie ist zwölf, als sie sich in den wenige Jahre älteren Yunus verliebt und mit ihm von einem gemeinsamen Leben im Westen träumt: ‚Wie wollen wir leben, Yunus?’ ‚In Jeans. Wir werden Jeanshosen tragen. In Deutschland.’ Mit fünfzehn heiratet sie Yunus – heimlich und gegen den Willen ihres Vaters. Doch mit der Hochzeit platzen auch die Träume von Freiheit und Autonomie: Statt Jeans trägt Filiz jetzt Burka; gemeinsam mit den drei Kindern, die in dieser Ehe geboren werden, ist sie der körperlichen und seelischen Brutalität ihrer tyrannischen Schwiegermutter ausgesetzt. Daran ändert auch die Emigration der Familie in den Westen nichts. Dann, nach einer neuerlichen Eskalation der Gewalt gelingt Filiz das vermeintlich Unmögliche: die Befreiung aus physischer und psychischer Abhängigkeit.

„Katharina Winkler hat eine Sprache gefunden, die diesem Stoff angemessen ist. Da ist zunächst der äußerst reduzierte Stil, in dem sie Filiz erzählen lässt, wie mit dem Blick auf den Boden gerichtet und doch beharrlich genug, um ihrer Geschichte endlich Raum zu geben.“ (FAZ)

Mittwoch, 05. Oktober 2016, 19.30 Uhr

Anna Katharina Hahn, deutsche Schriftstellerin, geb. 1970 | Anna Katharina Hahn, German writer, born in 1970

© Jürgen Bauer

Wein-Geister-Lesung mit Anna Katharina Hahn im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Die Suhrkamp-Autorin Anna Katharina Hahn errang mit ihrem dritten Roman „Das Kleid meiner Mutter“ gleich einen Platz auf der SWR-Bestenliste.

Madrid im Sommer 2012: Krass zeigen sich in der Hauptstadt die Auswirkungen der jüngsten Wirtschaftskrise. Die junge Ana Maria, genannt Anita, gehört zur „verlorenen Generation“, der jede Möglichkeit einer selbstbestimmten Existenz genommen wurde. Ihr Bruder, ein promovierter Germanist, hat sich bereits nach Berlin abgesetzt, um auf dem Bau sein Geld zu verdienen. Anita ist aus Not in ihr altes Kinderzimmer zurückgezogen. Halt geben ihr neben der Familie nur die Freunde, die das Schicksal der Dauerarbeitslosigkeit mit ihr teilen, und die regelmäßigen Demonstrationen auf der Puerta del Sol im Herzen der überhitzten

Metropole. Doch alles Schlimme lässt sich noch steigern: Eines Tages liegen Anitas Eltern tot in der gemeinsamen Wohnung. Unversehens rutscht sie in das Leben der

Mutter hinein, sie muss nur eines ihrer Kleider überstreifen, schon halten sie alle – auch Mutters geheimnisvoller deutscher Liebhaber – für Bianca. Und deren Alltag ist viel aufregender, als Anita sich hätte träumen lassen. „Es fühlte sich gut an, meine Mutter zu sein. Ich war schön, auf eine mir unbekannte Weise… Selbst in den Gesichtern mancher Frauen sah ich ein Aufleuchten“.

„Anna Katharina Hahns Roman ist Gesellschaftsdiagnose und Generationsporträt, seine Verspieltheit steht dem nicht im Weg.“ (Die Welt)

„Anna Katharina Hahn erweist sich als große Erzählerin.“ (FAZ)

Donnerstag, 03. November 2016, 19.30 Uhr

Matthias Politycki (Privat)Wein-Geister-Lesung mit Matthias Politycki Im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung

Matthias Politycki zählt schon seit Jahren zu den renommiertesten Autoren deutscher Gegenwartsliteratur. Er publiziert seit 1987 Romane, Erzählungen, Essays sowie Gedichte. Sein Abenteuer- und Untergangsroman „Samarkand, Samarkand“ (Hoffmann u. Campe) wurde von der Kritik gefeiert als „das Gebirgigste, Steinigste, Wildeste, Kühnste und Gefährlichste, was es an deutscher Romanliteratur derzeit zu lesen gibt“ (Deutschlandfunk). Aus eben diesem Roman wird er in Uelzen vor allem lesen:

Die Welt ist aus den Fugen geraten, und wo einst die Seidenstraße entlang führte, ist 2026 das Epizentrum der Erschütterung. Alexander Kaufner, Gebirgsjäger und Grenzgänger, reist in das sagenumwobene Samarkand und begibt sich auf die Suche nach einer geheimnisvollen Kultstätte. Doch können Sieg oder Niederlagen, Krieg oder Frieden tatsächlich von einem Haufen heiliger Knochen abhängen? Zusammen mit seinem Bergführer Odina, der ihm durch einen Schwur verpflichtet ist, und beschützt durch das wunderliche Mädchen Shochi, das die Zukunft träumen kann, durchstreift Kaufner die gewaltige Bergwelt Zentralasiens. Und gerät dabei zusehends in einen Wettlauf auf Leben und Tod, nicht zuletzt mit sich selbst. Dieses bildmächtige Epos ist Abenteuerroman, Liebesroman und Untergangsroman zugleich, es erzählt von der Konfrontation mit der Fremde, in der die großen existenziellen Fragen neu gestellt werden.

Matthias Politycki liest auch noch aus weiteren seiner Werke, auch wird er einige seiner Gedichte vortragen.

„Matthias Politycki hat ein überbordend entdeckungsfreudiges und lustbetontes Verhältnis zur Welt. Ein wirklich allmächtiger Erzähler.“ (Hajo Steinert)

Freitag, 02. Dezember 2016, 19.30 Uhr

Nis-Momme Stockmann (Privat)Wein-Geister-Lesung mit Nis-Momme Stockmann im Gewölbekeller der Stadtbücherei

Der Theaterschriftsteller Nis-Momme Stockmann wurde für sein Werk, das in viele Sprachen übersetzt worden ist, mehrfach ausgezeichnet. Nun legt er sein Romandebüt „Der Fuchs“ (Rowohlt) vor, das es gleich auf die Shortlist des Leipziger Buchpreises schaffte:

Finn Schliemann rettet sich auf ein Dach, als die norddeutsche Kleinstadt Thule, in der er aufgewachsen ist, von einer gewaltigen Flut überrascht wird. Über den Trümmern seiner Heimat, unter einer gnadenlos brennenden Sonne und mit dem Lärm des sprudelnden Wassers im Ohr beschwört er die verdrängten Bilder seiner Kindheit herauf:

Finn hat einen toten Vater, einen behinderten Bruder und wenige Freunde. Einzig Tille, ein wachstumsgestörter Albino, Diego, ein fetter Junge, dem ein Zeh fehlt, und

der für sein Alter riesige Baumann geben sich mit ihm ab. Als Finn eines Nachmittags in die Hände der örtlichen Rowdys zu geraten droht, tritt Katja auf den Plan und in sein Leben. Sie ist phantasievoll, selbstbewusst und mutig. Die Geschichten, die sie sich ausdenkt und die die beiden in einem Buch festhalten, bereichern Finns Welt: Sie selbst sei Zeitreisende, Thule ein bedeutungsvoller mystischer Ort, eine Art

Achse im Raum-Zeit-Gefüge, die von einer Gruppe von Männern – Agenten des „Büros“ – überwacht werde, um den Verlauf der Geschichte gemäß einer geheimnisvollen Agenda zu gewährleisten. Doch was als Spiel beginnt, dringt immer tiefer in ihr Leben: Sie entdecken Symbole auf Wänden, im Dorf lebende Männer tauchen auf 100 Jahre alten Fotografien auf, und Finns sprachunfähiger Bruder formuliert orakelhaft Hinweise. Katja treibt dieses Spiel auf die Spitze und landet schließlich in der Psychiatrie. Finn zieht sich zurück. Erst Jahre später, auf dem Dach gestrandet, greift er ihre Geschichten wieder auf. Denn Katja hat diese Flut kommen sehen.

„Indem Nis-Momme Stockmann dabei alle poetologischen Register zieht, formuliert er selbst diese höchsten Maßstäbe. … Dann entfaltet sich eine Erzählung, die eher als an Herrndorfs ‚Tschick’ an Dickens ‚Große Erwartung’ anschließt und einerseits eine enorme Zärtlichkeit entfaltet, zugleich aber auch von der Brutalität eines Tarantino-Films geprägt ist.“ (FAZ)