Programm 1. Halbjahr 2013
Donnerstag, 10. Januar 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Burkhard Spinnen
Burkhard Spinnen hat Germanistik, Publizistik und Soziologie studiert, hatte einige Jahre eine Gastprofessur am deutschen Literaturinstitut Leipzig inne und saß sechs Jahre lang in der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises, deren Vorsitzender er 2008 bis 2012 war. In Uelzen wird er aus seinem letzten, 2012 erschienen, Roman „Nevena“ lesen:
Henner hat seinen Sohn an ein Internet-Computerspiel verloren. Jedenfalls denkt er das manchmal. Patrick, siebzehn Jahre alt, sieht das völlig anders. Seit Monaten verbringt er als die Zornelfe Pocahonta jede freie Minute mit Mr. Smith, dem Barbar. Zusammen sind sie ein unschlagbares Team. Und vielleicht sogar mehr. Denn Mr. Smith ist Nevena, ein siebzehnjährige Mädchen, das angeblich in Belgrad lebt. Sie ist ebenso quirlig wie nachdenklich, dazu der Kummerkasten und der gute Geist ihrer leicht verrückten Großfamilie. In immer neuen Mails schildert sie ihre Welt aus Betriebsamkeit und Miteinander, eine Welt, die für Patrick mit dem Tod seiner Mutter untergegangen ist. Als Nevena von einem Tag auf den anderen aus dem Spiel und aus dem Netz verschwindet, ist Patrick verzweifelt. Über die wirkliche Nevena weiß er nur wenig, er kennt nicht einmal ihre Adresse. Da bietet ihm Henner an, Nevena gemeinsam zu suchen. Im Wohnmobil der verstorbenen Mutter beginnen sie eine Reise, die sie durch die schreckliche Geschichte des ehemaligen Jugoslawiens führt und unversehens eine spannende Reise zur eigenen Identität wird.
Mittwoch, 6. Februar 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Gisela Stelly
Gisela Stelly, Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Regisseurin hat viele Jahre für Die Zeit geschrieben und war zwanzig Jahre mit Rudolf Augstein verheiratet.
In Uelzen liest sie aus ihrem neuesten Roman „Goldmacher“.
1924: Ein Jahr nach der großen Inflation kommen Franz und Anton zur Welt, der eine in München, der andere bei Hannover. In dieser Zeit, in der die Verheißung die Wunden des Ersten Weltkriegs durch ein Wunder zu heilen, auf fruchtbaren Boden fällt, werden ihre Familien schicksalhaft durch einen veritablen Goldmacher verbunden. Während Franz, Sohn eines Bankiers, im Umfeld von Geheimwissen und Okkultismus des Dritten Reichs aufwächst, prägt Anton, Sohn eines Papierfabrikanten, früh der Bankrott seiner Familie infolge des Goldmacherbetrugs.
Durch seine Mutter lernt er, den Wunderglauben als Teufelswerk zu erkennen – und will es durch Wahrheit vernichten. In der Hitler-Jugend treffen sie aufeinander, der Aufklärung suchende Anton Bluhm und der wunderwaffengläubige Franz Münzer. Es ist der Beginn einer Freundschaft, die, begleitet von Ambivalenzen und Rivalitäten, bis ins neue Jahrtausend reicht. Sie wird geprägt sein von Antons Aufstieg zu einem bedeutenden Blattmacher in Hamburg – und der großen Lust auf das Leben in Zeiten der Beschleunigung.
„Der Roman folgt der Kraft familiärer Prägungen, und er spürt in ungekannter Weise die Bedeutung von Okkultismus und Wunderglaube im Dritten Reich auf. Daraus erklärt sich auch, warum der Krieg so lange durchgehalten wurde und Wunschfantasien nicht aufgegeben wurden. Ein einfacher, klarer Stil, der die komplizierten Zusammenhänge verständlich macht – ein Lesevergnügen!“ (Margarete Mitscherlich)
Mittwoch, 13. März 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Sascha Reh
Der junge Autor Sascha Reh hat Geschichte, Philosophie und Germanistik studiert und für seine Veröffentlichungen bereits zahlreiche Preise und Stipendien bekommen. In Uelzen wird er aus seinem neuesten Roman „Gibraltar“ lesen, der im Februar 2013 erscheint.
Beim Versuch mit griechischen Staatsanleihen ein lukratives, aber hochgefährliches Spekulationsgeschäft zu machen, setzt der Investmentbanker Bernhard Milbrandt beinahe das gesamte Kernkapital des traditionsreichen Bankhauses Alberts aufs Spiel. Anstatt die entstandenen Forderungen zu begleichen, fliegt er in eine südspanische Apartmentanlage, die sich als gespenstische Investitionsruine erweist. Während er fieberhaft immer weiter mit virtuellen Beträgen jongliert, häufen sich die Anzeichen dafür, dass er in der scheinbar menschenleeren Siedlung nicht alleine ist…
Unterdessen entbrennt eine Verfolgungsjagd nach Bernhard und dem Geld, die von Berlin und Frankfurt bis nach Gibraltar führt. Es stellt sich heraus, dass auch das Unternehmen der Familie Alberts tief in persönliche und geschichtliche Schuld verstrickt ist. So erweist sich die Krise des Kapitals als drängende, nicht länger zu verdrängende Familienangelegenheit. Sascha Rehs zweiter Roman stellt mit erzählerischer Leidenschaft und Präzision Fragen nach Schuld und Verantwortung für unser vergangenes und künftiges Leben.
„Ob der vielen Talente des Autors könnte einem Angst und Bange werden“. (Der Spiegel)
Dienstag, 9. April 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Matthias Matussek
Im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung
Matthias Matussek kam nach Stationen beim Berliner Abend und beim Stern zum Spiegel, für den er als Korrespondent und Reporter nach New York, Rio de Janeiro und London ging. Im Herbst 2005 kehrte er in die Zentrale nach Hamburg zurück, wo er bis Januar 2008 das Feuilleton leitete. Heute schreibt er als Autor für das Magazin und agiert als Videoblogger für Spiegel Online. Sein Buch Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können stand monatelang auf der Bestsellerliste, ebenso Das katholische Abenteuer. Der engagierte Journalist und vielzitierte Erfolgsautor liest in Uelzen aus seiner 2012 erschienenen „festlichen Geschichte“ „Die Apokalypse nach Richard“.
In Richard Königs Haus laufen die Weihnachtsvorbereitungen auf Hochtouren. Doch Weihnachten ist weiß Gott nicht mehr das, was es einmal war und auch Richard ist nicht mehr der, der er einmal war. Ihn plagt der graue Star und er wartet auf die Ankunft Gottes in dieser gottlosen Finsternis. Als er plötzlich wieder sehen kann, weiß er, dass Gott ihm ein Zeichen gesandt hat. Seine Frau Waltraud dagegen möchte das Fest der Liebe feiern. Doch das Weihnachtsmahl missrät gründlich. Die Schwiegertochter ist in anderen Umständen, der Sohn Roman, ein impulsiver Journalist, hat den Halt und seine Frau verloren. Nur nicht Nick, der 14jährige Enkel, ist anders. Tief, klug und frühreif – ein bisschen wie Richard selbst., damals im Berlin er 30er Jahre. Zur heiligen Stunde scheint sich Richards Prophezeiung zu erfüllen: Plötzlich sind da Rauch und Licht und eine Gestalt, die wahrlich überirdisch und gewiss nicht gottlos ist….
Programm 2. Halbjahr 2013
Donnerstag, 12. September 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Hans-Joachim Schädlich im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung
Der 1935 im Vogtland geborene Schriftsteller Hans-Joachim Schädlich war zu DDR-Zeiten ein hochgeachtetes Mitglied der Ostberliner Akademie der Wissenschaften. Nachdem er nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann eine Resolution unterschrieben hatte, wurde er in der DDR nicht mehr veröffentlicht. 1977 kam er nach Westdeutschland. Er ist einer der Großmeister in deutscher Sprache, berühmt für seine ebenso scharfsinnigen wie sprachlich eleganten Texte und für die sprachliche Verknappung mit einem akribischen, durchdringenden Blick: „Die großen Gefühle, Trauer, Schmerz, Erinnerung und letzte Liebe, all das zwingt er mühelos in die Nussschalen seines kargen Stils“ (FAZ). In Uelzen wird der Autor u.a. aus seinen letzten Büchern Kokoschkins Reise, einem Roman, in dem er einen großen Bilderbogen des 20. Jahrhunderts spannt und über dessen große politische Verwerfungen erzählt und aus Sire, ich eile. Voltaire bei Friedrich II., einer messerscharfen, desillusionierenden Novelle über Macht und Geist, über die Begegnung zweier großer Männer, lesen.
„Hans-Joachim Schädlich ist einer der ganz Großen der zeitgenössischen deutschen Literatur“, befindet Die Zeit. Der Autor wurde mit fast allen zu vergebenden Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt 2011 mit dem Joseph-Breitbach-Preis.
Donnerstag, 26. September 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Harald Martenstein im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung
Harald Martenstein ist Autor der Kolumne Martenstein im ZEIT-Magazin, Redakteur beim Berliner Tagesspiegel und Dozent an mehreren Journalistenschulen. Für seine Texte aus seinem Buch Romantische Nächte im Zoo, aus dem er in Uelzen lesen wird, wurde er mit dem Henri-Nannen-Preis, dem Egon-Erwin-Kisch-Preis und 2012 mit dem Theodor-Wolff-Preis geehrt. Davon abgesehen, erhielt er für sein schriftstellerisches und journalistisches Werk zahlreiche weitere Preise. Martenstein mit seinem scharfen analytischen Blick auf die in der Öffentlichkeit gerade diskutierten Problem und seinen satirischen Reaktionen darauf, ist Kult: Einer landesweiten Lesergemeinde gilt Harald Martenstein als der witzigste Kolumnist. Seine Texte zeigen einen klugen Frager, gar einen Moralisten, der die Ideale und Spleens seiner Mitmenschen verstehen will, weil sie vielleicht einmal die eigenen waren. So sucht er im Kibbuz nach den Überbleibseln des Sozialismus, am Nürburgring nach der Bremse und im Suhrkamp-Verlag nach dem Geist der Literatur. Mit seinen 34 preisgekrönten Reportagen und Betrachtungen enthalten in seinem Buch Romantische Nächte im Zoo, legt er eine geistreiche, witzige und manchmal auch wütende Chronik unseres komischen Landes zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor.
Freitag, 4. Oktober 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Kurt Drawert im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung
Kurt Drawert wuchs in der DDR auf. Nach einer Ausbildung zum Facharbeiter für Elektronik und verschiedenen Hilfstätigkeiten, studierte er am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig. 1993 zog er nach Bremen, seit 1996 lebt er in Darmstadt, wo er seit 2004 das Zentrum für junge Literatur leitet.
Drawert wurde nach der Grenzöffnung fast jährlich mit einem Literatur- oder Lyrikpreis ausgezeichnet für seine Gedichtbände, Essays, Theaterstücke und seinem Roman. Im Januar stand er mit seinem aktuellen Buch „Schreiben“ auf Platz zwei der renommierten SWR – Bestenliste. In diesem Oktober wird er in Uelzen den Werner-Bergengruen-Preis entgegennehmen und am Vorabend der Preisvergabe für eine Lesung zur Verfügung stehen.
Drawert ist ein Handwerker der Sprache, der nicht mit schreiender Wut , sondern mit eisgekühltem Zorn, mit Zynismus und Bitterkeit den Groll auf seine frühere Heimat, die er „Deutsche D. Republik“ nennt, literarisch verarbeitet. In seinem Roman „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“ ringt der Prota-gonist, eine Art moderner Kaspar Hauser, um die Wahrheit, quält sich durch einen Albtraum, durch ein System, in dem die Sprache mit der Sprache bekämpft wird.
„Kurt Drawert ist mit bedeutenden Literaturpreisen bedacht worden… Er gehört nicht zu den Autoren, deren Texte schmeichelnd zur Lektüre einladen, den Leser mit Cocktails empfangen und mit Gags bei Laune halten. Er hat es sich niemals leichtgemacht, auch nicht mit seiner Ankunft im Westen.“ (FAZ)
Dienstag,,12. November 2013, 19.30 Uhr
Wein-Geister-Lesung mit Otto de Kat im Gewölbekeller der Ratsweinhandlung
Otto de Kat studierte u.a. niederländische Literatur und war anschließend Kritiker und Herausgeber. Seit zehn Jahren lebt er als freier Schriftsteller. Sein Roman Sehnsucht nach Kapstadt war 2005 für den größten belgischen Literaturpreis für Niederländisch schreibende Autoren, De Golden Owl, nominiert und wurde mit dem niederländischen Halewijn-Literaturpreis ausgezeichnet. Otto de Kats ins Deutsche übersetzte Bücher erschienen bei Suhrkamp und Schöffling. In Uelzen wird der Autor aus seinem neuesten Roman Eine Tochter in Berlin lesen: Im Frühling 1944 erhält der niederländische Diplomat Oscar Verschuur die geheime Information über Hitlers geplanten Überfall auf Russland. Oscar weiß, dass er diese Nachricht weitergeben muss, dass er die Alliierten warnen muss, dass der Überfall verhindert werden muss, aber er zögert, denn er weiß auch, dass sein geheimes Treffen mit seiner Tochter Emma, die ihm die Nachricht heimlich aus dem deutschen Außenministerium zukommen ließ, beobachtet wurde. Wenn er die Information weitergibt, ist Emma in Gefahr. Der einzige Mensch, den er ins Vertrauen ziehen kann, sitzt als Churchills engster Berater in London. Nach einer beschwerlichen Reise durch das verdunkelte Europa erreicht er London, wo auch seine Frau Kate lebt. Sein unangekündigter Besuch hat ebenso unerwartete wie dramatische Folgen….
„Otto de Kat hat sich endgültig in die Liga der niederländischen Autoren geschrieben“ urteilt die FAZ.
Freitag, 15. November 2013, 18.30 Uhr
Vortrag von Dr. Alexander Bergengruen „Henker im Alten Reich: 500 – 1800
Mit einer Henkersmahlzeit im Kaffehaus im Stadtgarten
Es waren harte, geschäftstüchtige Männer, die nicht selten selbst als Bordellwirte und Gefängnishalter auftraten, aber auch Fürsorglichkeit und Mitleid mit den Opfern prägte das Erscheinungsbild. Zum Schluss werden Epigonen des verrufenen Standes vorgestellt, meist wohlhabende Müßiggänger der Guillotine, denen die Aufklärung des 18. Jahrhunderts zwar den Makel de Unehrlichkeit genommen, aber auch die Berufsgrundlage entzogen hatte. Sie wurden Tierärzte, Humanmediziner, nicht selten Gelehrte.König Friedrich I. von Preußen hatte einen Leibarzt, der in seiner Jugend noch das Richtschwert geschwungen hatte.
Die Rede ist von Henkern und der deutschen Strafrechtspraxis im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Der Vortrag schildert die verhängten Todesstrafen und ihre Vollstreckung. In einem zweiten Teil wird die berufliche wie gesellschaftliche Situation der deutschen Scharfrichter beleuchtet, denen man, neben dem eigentlichen Hinrichtungsgeschäft so sonderbare Aufgaben wie das Leeren der Aborte, das Entsorgen von Selbstmördern und Tierkadavern, so wie das Vertreiben von Dirnen und Aussätzigen übertragen hatte.
Karten für alle Lesungen gibt es für 8.-€ in der Ratsweinhandlung und in der Stadtbücherei.
Karten für den Vortrag sind im Kaffehaus „Im Stadtgarten“ und in der Ratsweinhandlung für 20.-€ (incl. Henkersmahlzeit) erhältlich.